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Anderweiter Ehevertrag
zwischen
dem Tischlermeister Heinrich Westphal und dessen Ehefrau Friederike geborene Schenkemeyer.

Geschehen Sarstedt, am 9. December 1862.


Indem wir unterzeichneten Eheleute unsere vor dem Königlichen Amtsgerichte Hildesheim, Landkreis Steuerwald, am 28sten April 1860 abgeschlossene Ehe und Ehevertragaufrufen und das Concept desselben aus dem Contractenbuche von 1860 außer Kraft zu setzen bitten, haben wir uns am heutigen Tage über folgende Punkte geeinigt und bitten Königliches Amtsgericht gehorsamst um deren Bestätigung und Aufnahme in das Contractenbuch.

§.I.
Ich, die Ehefrau Friederike geborene Schenkemeyer, habe meinem Manne zur Zeit Vermögen nicht zugebracht und von meinen lebenden Eltern nichts erhalten. Was ich aber von diesen noch zu gewärtigen habe, will ich meinem Manne als eigentlichen Brautschatz hiermit zusichern und verschreiben.


§.2.
Wir haben gegenwärtig bereits eine Tochter und einen Sohn mit einander erzeugt, welche, wie etwa später noch erfolgende Kinder, unsere Erben sein sollen. Würde ich, die Ehefrau, kinderlos sterben, so soll mein ganzer Nachlaß meinem Ehemanne als Erben zu Theil werden, vorbehältlich eines Pflichttheils für meine etwa noch lebenden Eltern.


§.3.
Ich der Ehemann Heinrich Westphal habe für den Fall meines Todes vor meiner Ehefrau Folgendes mit derselben contractlich festgesetzt und will derselben hiermit solches zusichern und verschreiben:
I. sie erhält das Nro:9I. an der Weberstraße zu Sarstedt gelegene Wohnhaus nebst der dabei gelegenen Scheuer und Stallungen,
2. den kleinen Obstgarten hinter der Scheuer, desgleichen den dabei gelegenen Gemüsegarten, wie den daneben liegenden zweiten Obstgarten und den dahinter über den Schergraben gelegenen Gemüsegarten,
3. das Stück Ackerland hinter der Mauer auf dem Klei gelegen,
4. den kleinen Winkel Ackerlandan der freien Wiese am Schliekumer Wege belegen, ca. 80 Ruthen groß,
5. desgleichen das daneben belegene Grassland.

Alle dies aufgeführten Theile zum Nutzen und Nießung und unter Voraussetzung guter Instandhaltung bis zum Tage der Majorennität meines Sohnes Heinrich, welche mit Vollendung seines 25sten Lebensjahres eintreten soll und unter Verpflichtung der Witwe die Reparaturen, so unter Einen Thaler zu stehen kommen, selbst zu bezahlen.

6. Ferner soll sie in der letztbezeichneten Koggel in der freien Wiese am Schliekumer Wege erhalten den s.g. großen Ackerwinkel, welcher mit den unter 4 und 5 aufgeführten Ländereien circa 3 Morgen hält. Diesen letzteren genannten Ackerwinkel jedoch nur bis zur Confirmation der jetzt vorhandenen beiden oder etwa noch zu erzeugenden Kinder, als von welchem Confirmationstage des jüngsten meiner Kinder an meine hinterlassene Witwe für diese Ackergrundstücke eine jährliche Pacht von (zwölf) I2 Thaler Courant zahlen soll, wenn sievdieselbe nach beendigter Schulzeit der Kinder behalten will.
Zugleich soll meine hinterlassene Witwe verpflichtet sein, sämmtliche Abgaben, Königliche wie städtische, auf das Brand"Cassen"Geld alljährlich bis zur Majorennität meines Sohnes Heinrich zu zahlen, dagegen nicht bezahlen soll sie die an die Rentei fälligen Abgaben von circa 2 5/6 jährlich.

7. Ferner soll meine hinterlassene Witweerblich und als freies Eigentum nach eigener Auswahl erhalten:
a, ein halbes Dutzend Stühle;
b, ein Sopha;
c, ein vollständiges Bett nebst Bettstelle;
d, eine Commode;
e, einen tisch;
f, einen Kleiderschrank;
g, einen Lehnsessel.

8. Bei meinem Todestage soll meine zurückbleibende Witwe erben und erhalten das sämtliche im Hause vorhandene Getreide und Korn, Heu, Stroh und alle vorhandenen Eßwaaren und Consumptibilien, wie das etwa vorhandene Schlachteschwein.
Sollte ich in den Wintermonaten versterben, so soll von den ausgesaeten Winterfrüchten bei nächster Ernte außer den ebengenannten Gegenständen und Consutibilien die Hälfte an die fallen.
Tritt der Tod im Frühjahr oder kurz vor der Ernte an mich heran, so soll meiner nachgelassenen Ehefrau die ganze Ernte gehören.

9. Das vorhandene Küchengeräth soll der Witwe verbleiben und sie nur gehalten sein, dasselbe in möglichst gutem Zustande zu erhalten.


§.4.
Zu rechter Zeit werde ich für den Fall meines Todes einen Vormund einsetzen, welcher mit meiner Ehefrau die Erziehung meiner hinterlassenen Kinder und die Verwaltung des Vermögens zu besorgen hat.
Sollte sich meine Ehefrau vor der eingetretenen Majorennität meines Sohnes Heinrich wieder verheiraten, so soll der Magistrat der Stadt Sarstedt einen Mitvormund ernennen und meine hinterlassene Witwe als Mutter der Kinder nur Mitwisserin, nicht Mitbestimmerin, sowohl bezüglich der Erziehung als Vermögensverwaltung sein.


§.5.
Die Erziehung meiner hinterlassenen Kinder soll eine gute, rechtliche und christliche sein und soll zu diesem Behuf aus den aufkommenden Pachtgeldern beide oder die noch zu erzeugenden Kinder alljährlich bis zum Tage der Confirmation und zwar für jedes einzelne Kind für
a, Kleidungsstücke die Summe von zehn (I0) Thalern,
b, desgleichen für jedes derselben zum guten Schulunterricht, öffentlichen und privaten, alljährlich die Summe von drei (3) Thalern, die Schulzeit vom vollendeten sechsten Lebensjahre, den Privatunterricht vom zehnten Lebensjahre an gerechnet, gezahlt werden, wobei sich von selbst versteht, das die Kinder am Leben sind.
Die Geld-Münzsorte ist Courant.


§.6.
Dabei setze ich unbedingt voraus, daß die Kinder gut und christlich behandelt werden, selbst im Fall der Wiederverheirathung meiner hinterlassenen Witwe. Sollte dieses jedoch wider Verhoffen nicht geschehen, so will ich, daß die Kinder bei ungebührlicher Behandlung, der Mutter durch den Vormund ab und von demselben zu sich genommen werden, wodurch natürlich auch die in §5 erwähnten Gelder der Mutter nicht mehr verabreicht und belassen werden.
Zugleich ist die hinterlassene Witwe in diesem Fall unbedingt verpflichtet, für jedes meiner hinterlassenen Kinder alljährlich die Summe von zwölf (I2) Thaler Courant an den Vormund bis zur Majorennität der Kinder behuf deren Erziehung und Erhaltung zu zahlen.


§.7.
Die Majorennität meinse Sohnes Heinrich tritt mit vollendetem 25sten Lebensjahre ein und hören mit diesem Tage alle die im §.3. meiner Ehefrau zugesagten Vortheile auf, selbst bei ihrer Nichtwiederverheiratung und soll sie nur die ab §.3, 7a-g aufgeführten Gegenstände als Eigenthum behalten, wie die §.3,8. namhaft gemachten.
Dagegen soll mein genannter Sohn von dem Tage seiner Majorennität ab unverbrüchlich gehalten sein, seiner Mutter als Leibzucht alljährlich ohne alle Widerrede zu geben:
I. Acht (8) Himten Roggen und Einen (I) Himten Weizen;
2. Zwölf (12) Pfund Butter;
3. Ein (I) Schock Eier;
4. Ein (I) Schock Käse;
5. Drei (3) Thaler Courant für Milch;
6. den fünften (5) Theil des Obstes in beiden Gärten;
7. Einen und einen halben (I I/2) Thaler Courant für Gartenpacht;
8. Zehn Thaler Courant für Miethe und
9. Drei (3) Thaler Courant als Pachtzins für Kartoffelland und zwar ab I bis 6 genannten Gegenstände unter allen Umständen, die ab 7 bis 9 genannten Gelder nur dann, wenn meine hinterlassene 'Witwe nicht mehr in dem bezeichneten Hause Nr. 9I wohnen bleiben sollte oder wollte.


§.8.
Ferner soll derselbe vom Tage seiner Majorennität ab seiner Mutter, falls diese ledig ist, bewilligen und geben:
I, zu ihrem alleinigen Gebrauch die Kameran der Busch`schen Seite vorn heraus;
2, in der Wohnstube eine Sitzstelle in der Nähe des Ofens;
3, frei Licht, freie Feuerung und den Mitgebrauch des Küchengeschirrs;
4, den vierten Theil und zwar in der Mitte des hinteren Gartens jenseits des Scheergrabens.


§.9.
Sollten meine Kinder vor ihrer Majorennität unverhoffen sterben und meine Witwe allein zurückbleiben, so soll dieselbe mein ganzes Vermögen erben, außer den etwa gesetzlich nöthigen Pflichttheilen, wenn sie sich nicht wiederverheirathet hat oder verheirathet. Ist sie aber inzwischen verheirathet oder will sie sich wieder verheirathen, so soll sie nach Auswahl die Hälfte meines gesamten Nachlasses erhalten: die andere Hälfte soll an meine nächsten Blutsfreunde fallen, wie solches das Gesetz bestimmt.


§.I0.
Ich, der Eheman gewähre und gebe alle diese Vortheile und Beneficien meinder hinterlassenen Witwe nur unter der ausdrücklichen Voraussetzung, daß dieselbe mir bei Lebzeiten in allen Dingen als eheliches Weib gut und treu vorgeht und alle Pflichten einer christlichen Ehefrau und treuen Mutter gewissenhaft erfüllt, wie ich denn auch ein solches christlich-sittliches Betragen nach meinem Tode von ihr erwarte und hoffe.
Sollte ich aber so unglücklich sein mich zu täuschen und würde meine Ehefrau wider Verhoffen von der Bahn einer züchtigen und christlichen Hausfrau abweichen, so sollen alle oben von mir stigulierten Punkte nicht gelten, sondern mir eine fernere Beschlußfassung und Bestimmung frei zur Hand stehen.


§.11.
Indem wir beide obengenannten Eheleute dies wechselseitigen Zusicherungen nach wohlgepflegter Überlegung und voll Bedacht bestens annehmen, entsagen wir zugleich allen dagegen erdenklichen Einreden und Ausflüchtenwie solche auch benamt sein möchten.



Geschehen vor dem Amtsgerichte Hildesheim
Landkreis Steuerwald
am 13. Dezember 1862


Es erschienen:
I. der Tischlermeister Heinrich Westphal aus Sarstedt,
2. dessen Ehefrau Friederike geb. Schenkemeyer 21 Jahre alt in Assistenz
3. der Weber Erich Schenkemeyer aus Sarstedt, als ihr Vater.

Die ersten beiden Comparenten überreichten den Entwurf eines unter ihnen abgeschlossenen anderweitigen Ehevertrages vom 9. December des Jahres, erkannten den Inhalt dieses Entwurfes in allen Punkten nach dessen deutlicher Verlesung an und erklärten, denselben zum Zeichen der Genehmigung eigenhändig unterschrieben zu haben.
Der mitgegenwärtige Vater der Ehefrau Westphal gab zu dem überreichten Entwurfe in allen Theilen seine Zustimmung und erklärte auch insbesondere sein Einverständnis mit dem Widerrufe der unter den Westphalschen Eheleuten am 28. April 1860 errichteten Ehestiftung.
Der Eheman Westphal überreichte zugleich Abschrift des Entwurfs zum Contractenbucche und bat um Ausfertigung zu seinen Händen.
Vorgaben genehmigt
In Eidem

Unter Beifügen einer beweisenden Ausfertigung des vorstehenden heutigen Protocolls wird der vorgelegte "Anderweite Ehevertrag" wovon beglaubigte Abschrift zum Contracenbuche de 1862 gelangt ist, den Westphalschen Eheleuten wieder zugestellt.

Hildesheim den 13. December 1862.
Königliches Amtsgericht Landbezirk Steuerwald



Erläuterungen
1) Das Haus in der Weberstr. 91 ist spºter umnummeriert worden in Nr. 36. Es wurde an die Stadt verkauft und ist heute samt Garten einer Verbindungsstrasse gewichen. Nur die lange Gartenmauer steht noch. Sie ist unter Denkmalsschutz gestellt worden.

Was ist ein Thaler wert? Versuchen wir einen groben Oberblick für die Jahre von 1860 bis 1880 zu geben, da nachher Löhne und Preise unverhältnismäßig stark steigen, und sich um 1900 schließlich ein allgemeines Lohn- und Preisniveau in ganz Deutschland einspielt, wo es auch keine großen regionalen Unterschiede mehr gibt.

Die folgenden Aussagen gelten für Friedrichsthal (Saarland):

Bei 220 Thaler Lohn im Jahr 1861 werden 200 Thaler für die Lebenshaltungskosten benötigt, davon rund die Hälfte für das Essen. Man darf nicht vergessen, daß in den Familien neben dem Vater auch die Söhne, vielfach auch die minderjährigen Kinder arbeiten. Dies sichert ein ausreichendes Einkommen, zumal nebenher Landwirtschaft betrieben wird. Nach Gründung des Deutschen Reichs wird eine einheitliche Währung in ganz Deutschland eingeführt: die Reichsmark. Der Umtauschkurs zum preussischen Thaler beträgt 1 Thaler gleich 3 Reichsmark. Nach 1870 sehen die Preise, in Mark gerechnet, so aus: 1,20 Mark ein Kilo Rindfleisch, 2,40 Mark ein Kilo Butter-, 3,98 Mark ein Schock (60 Stück) Eier, ein Arbeitsanzug kostet 7,50 Mark, ein paar Schuhe kosten 6 Mark. Für vier Liter Bier, die Tagesration eines Glasbläsers, sind 0,80 Mark zu zahlen, für einen Zentner Kohle 0,60 Mark und der Wasserverbrauch schlägt mit 0,05 Mark täglich zu Buche.

(vgl. Dr. Werner Kern <http://www.friedrichsthal.de/glas008.htm> Rev. 22.3.2002



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