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Wolde, den 9. Juli 1870.


Meine theure Elwine!
Mitten aus dem Trubel heraus, in dem wir seit mehreren Tagen leben, und zwar in die Syringenlaube mich flüchtendin den Garten, wo ich dergleichen noch nicht tiefer gethan, sende ich dir Gruß und Kuß mit innigen flüchtigen Zeilen als Antwort auf Deine beiden lieben Briefe. Der letzte kam, was ich kaum mehr erwartet hatte, rechtzeitig noch am späten Abend meines Geburtstages an. In dem Menschengewühl hier wurde mir gemeldet, es war kurz vor 10 Uhr Abends, daß die Post angekommen u. mir auch ein Brief von Tante Friederike zugebracht habe. Ich empfing den Brief, er war aus Pyrmont vom 10. Juli u. St. datiert u. begrüßte mich zu meinem Geburtstage aus weiter Ferne. Es that mir so wohl, daß F. dort auch meinen Geburtstag nicht vergessen hatte. Aber schmerzlich war es mir doch, von Dir keinen Brief zu diesem Tage empfangen zu haben. Nachdem ich einen ruhigeren Augenblick gefunden, da sah ich die Kirchenpost u. siehe da, der erwartete Brief von Deiner Hand fand sich darunter. Hab herzlichen Dank für Deine treuen Wünsche. Etwas beunruhigt hat mich in letzter Zeit wohl die Nachricht von Deinem Kranksein. Die letzte Nachricht lautete freilich etwas besserr. Der barmherzige Gott wolle dir die frühere Gesundheit wieder schenken. So bald es besser mit Dir geworden, oder vielmehr Du gesund geworden sein wirst, melde es mir doch gleich.

Nun etwas vom Geburtstage. Tante A. (Tante Auguste, Schwester von Helena Constantia Frank geb. Johannson, d. Hrg.) war heute vor 8 Tagen morgens um 9 Uhr mit ihren Kindern hier eingetroffen. Die übrigen Geburtstagsgäste fehlten aber immer noch u. wir wußten nichts weiter, als es Erwin, der Sonntag vor 8 Tagen hier angelangt war, uns berichtet, daß sie kommen wollen, aber der Tag der Abreise noch nicht bestimmt werden konnte. An meinem Geburtstagsmorgen um 6 Uhr erwachte, blieb aber noch im Bette, da höre ich um halb siebenUhr Equipage mit Glocken in den Hof rollen. Ich stieg aus dem Fenster, u. sah, eine Kalesche mit Postpferden bespannt u. einen Postwagen außerdem, die Insassen waren bereits ausgestiegen. Weil die Magd mir das Waschwasser gebracht, blieb ich im Zimmer, da ertönte kurz vor 7 Uhr ein vierstimmiger Choral: Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre - von meinen Chorsängern gesungen. Ich trat endlich hinaus u. fand alle Wohnzimmer mit Eichenlaubgirlanden geschmückt u. der erste, der mich begrüßte, war Wilhelm, dann Marie mit den Kindern Wilhelm Bergwitz und seine Frau Marie geb. Frank, Pastor in Pernau, d. Hrg.), dann Pastor Törne von Gedmannsbach, 42 West von Pernau, den bongst aufgefordert hat, das Diakonat in Arendsburg anzusehen u. der zu einer Gastpredigt nach Oesel mit Wilhelm gekommen ist. Morgen fährt er mit Wilhelm zur Stadt u. Sonntag soll er predigen. Er ist ein lieber, freundlicher Mann, bereits 15 Jahre im Amte, schon etwas grau u. Vater von 7 Söhnen, die ihn allein dazu bewogen, die Stelle anzunehmen, da in Arensburg Schulen sind. Die Schule u. Pension der Söhne würden im alten Wohnort verblieben, seine ganzen Einnahmen verschlingen. Montag o. Dienstag wird er wohl aus der Stadt hierher zurückkommen, um Mittwoch oder Donnerstag die Rückreise mit den Kindern anzutreten. Wenn nicht Chikanen die Geschichte verderben, so wird er wohl gewählt werden. Wilhelm läßt ihn ungern aus ihrem Kreise ziehen. Er hält große Stücke auf ihn. Äußerlich hat er nichts Imponierendes. Sehr bescheiden tritt er auf, spricht leise u. nicht viel. Er ist ein Revalenser, einige 40 Jahre alt u. der Sohn des Revalschen Rentmeister Törne, den ich als Kind auch gesehen habe. Ehe er nach Gedmansbach kam war er 6 Jahre Pastor in Beßarabien in Köstiz, der Nachfolger dort von Oberpastor Ripke. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir einen solch milden Charakter in unseren Pastorenkreis bekommen. Wir haben an Nolcks schroffem Wesen genug. Wie ich zugleich vorgestern hörte, will unser alter Superitendent seinen Abschied nehmen u. soll ihn schon eingereicht haben. Da werden wir wohl Nolcken (Nicolai v. Nolcken, Pastor in Peude, d. Hrg.) als seinen Nachfolger erhalten, da der Adel den Superintendenten wählt. - Ich bin aber vom Geburtstage ganz abgekommen. Die Kinder hatten mir einen hübschen Geburtstagstisch bereitet u. mit schönen Gaben geschmückt. Um 9 Uhr fanden sich Steinmann und sein Bruder ein, eine Stunde später seine Frau mit den Kindern, dann Gahlebaeck (Pastor in Pyha, d. Hrg.) mit Harry. Bald darauf kamen die Hunnischen Kinder Ainrich von Petersburg, der Stud. Eduard, Lydie, Elwine u. eine Cousine, die Tochter der Doctorin Jordan aus Reval. Der Mittagstisch war also ungewöhnlich bedeckt, ich glaube, über 28 Personen. Ach, beinahe hätte ich noch Wilhelmie u Matso Dittmer vergessen, die auch am Vormittag aus Jührs kamen. Am Nachmittag kam noch Louise Knottke, die alte Buchanden u. ihre Tochter Lilly Nelly, die Cöllnschen beide hinzu, das Haus wimmelte also von Menschen, wie zuletzt vor Jahren an Mariens Hochzeitstage. Das Wetter war päßlich, die jungen Leute amüsierten sich draußen mit Spielen u. Hose springen. So viele junge Mädchen sind schwerlich früher hier gewesen. Bis kurz vor 12 Uhr Nachts blieben die GästeDa verließen die Honninschen Kinder, die Cöllnschen, Pastor W mit seiner Schwester, die Hörschelmann, die ich wieder vergessen hatte zu nennen. Es mußte in zwei Absitzen gespeist werden, weil das Zimmer zu eng war. Du kannst Dir denken, daß das eine fröhliche Gesellschaft war. Du allein fehltest nur unter uns. Manchmal kam mir der Gedanke: Sollte das nicht vielleicht der letzte Geburtstag sein, da es heute so hochfestlich und fröhlich hergeht. Nun, der Herr hat unsere Tage gezählet. Noch einen kleinen Gast haben von Hein Samuel Keller, der in Jüürs ist, aber alle Tage fast kommt u. oft auch die Nacht hier ist.

Montag vor 8 Tagen, am 29. Juni, kehrten wir, Adele u. ich, Abends aus Runoe zurück u. zwar in einem Tage an Bord. Dort fuhren wir um 1/2 4° morgensaus bei schönem Wetter u. mäßigen aber schwachem Winde u. brachten 12 Stunden auf See zu. Um 8 Uhr Abends waren wir zu Hause u. fanden schon Erwin vor, der am Sonntag gekommen war. In Runoe verlebten wir 9 Tage, weil der Wind in den letzten immer etwas "ontreis"? war u. sind viel in dem schönen Walde u. am Meeresstrande einhergewandert. Ich predigte dort schwedisch dreimal, Sonntag vor Johanni, Johannistag u. den Sonntag darauf. An Johannistagen auch auf estnisch für die Bewohner des Leuchtturms. die Hinfahrt am 19. Juni ging sehr schnell vonstatten, da wir den günstigsten Wind, fast Sturm hatten. In 6 Stunden waren wir da, aber Adele unterwegs seekrank. Unser langes Ausbleiben hatte Christel sehr beunruhigt u. aufgeregt. Das arme Kind ist noch sehr krank u. angegriffen. Wer mich nun auf der zweiten Fahrt begleiten wird, ist noch unbestimmt. Um 14 Tage muß ich wieder hin, da ich versprochen habe, am 26. Juli wieder dort zu predigen.Gott gebe wieder eine gute Reise.

Das ist sehr freundlich, daß Reinfelds mich zur Taufe einladen wollen u. ich danke im Voraus von Herzen dafür, es ist mir aber wohl nicht möglich, für´s Erste nach Reval zu kommen, schon der Runoeschen Fahrt wegen, denn vor Anfang August werde ich nicht zurück sein. Und gott der Herr weiß, ob es mir überhaupt noch möglich sein wird, im August eine zweite Reise, die nach Reval zu machen. Ich bin zu viel abwesend von meiner Gemeinde. Wie der Herr will. Nun aber muß ich wohl schließen, die Uhr ist bereits 6 und der Bote muß fort. Tausend herzliche Grüße Dir von den Geschwistern senden und Deine liebe Hausgenossin, die alte Generalin u. den lieben Reinfelds freundlichen Gruß entbietendschließt Dich an u. ins Herz u. befiehlt Dich den treuen Jesushänden.
Dein alter treuer Vater B.Fk.

P.S. Adele wollte Dir heute schreiben, kam aber leider nicht dazu, sie hat ja die ganze Wirtschaft zu besorgen. Christel ist dazu immer noch nicht imstande, noch zu schwach. Die Jührschen wohnen in den Ferien auf dem Lande, die Clarens ist mit ihrer Tochter Lidonie u. ihren beiden Söhnen aus Leipzig hier u. war längere Zeit in Cölln, badet aber jetzt in der Stadt, wohin auch die Cöllnschen heute gezogen sind. Denk Dir, meines Geburtstags wegen sollten sie die Fahrt dorthin um zwei Tage aufgeschoben haben. Christel und Adele sind mit Sidonie, ein allerliebstes Mädchen, recht befreundet worden u. haben mit ihr u. ihren Brüdern manche Reitparthien gemacht, woran sich auch Hans angeschlossen hat. Alle Augenblicke kam eine ganze Cavalcade auf den Hof hier gesprengt.

Pastor Törne ist zu einen Bautentausch. Taube schläft mit den Kindern im hinteren Gastzimmer, Wilhelm u. Marie in dem Vorderen, Erwin und Samuel im Kinderzimmer, Hans auf dem Heuboden.









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